Zivilrechtliche Haftung – Schmerzensgeld und weiterer Schadensersatz
Der Facharztstandard ist entscheidend
Die Behandlung des Patienten erfolgt regelmäßig auf Grund eines Behandlungsvertrages i.S.d. § 630 a Abs. 1 BGB. Wegen der Natur des Behandlungsvertrages als Dienstvertrag schuldet der Behandler dabei jedoch regelmäßig keinen Behandlungserfolg, sondern allein eine Behandlung, die den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden anerkannten fachlichen Standards entspricht. Es wird hierbei regelmäßig vom sogenannten „Facharztstandard“ gesprochen, nach dem der Patient einen Anspruch auf ärztliche Behandlung hat, die dem Stand eines erfahrenen Facharztes entspricht (BGH, Urteil vom 27.09.1983, VI ZR 280/81). Nimmt ein Arzt ohne die notwendige fachliche Qualifikation und ohne die Überwachung durch einen qualifizierten Facharzt die Behandlung vor, liegt ein Fall sogenannten Übernahmeverschuldens vor.
Keine Behandlung ohne ausreichende Aufklärung
In der Praxis wird die durch § 630 e BGB geforderte Aufklärung über das Behandlungsrisiko und die Behandlungsalternativen nicht selten als bloße Formalie durch das zur Verfügung stellen standardisierter Aufklärungsformulare vorgenommen. Defizite im Bereich persönlicher Erklärungen und der Möglichkeit des Patienten Fragen zu stellen, sind an der Tagesordnung. Dabei ist eine ordnungsgemäße und rechtzeitige Aufklärung die Voraussetzung dafür, dass der Patient eine Vorstellung von der zur Rede stehenden Behandlung erhält und nur so wirksam in diese einwilligen kann. Wenn der Arzt sich nicht darauf berufen kann, dass der Patient, z. B. bei zwingend erforderlichen und Notbehandlungen ohnehin und unabhängig von der Aufklärung in die Behandlung eingewilligt hätte (hypothetische Einwilligung), erweist sich die Behandlung insgesamt als rechtswidrig.
Frühzeitig den eigenen Willen bekunden – die Patientenverfügung
Im Bereich der Bestimmung des Patientenwillens erlangt auch das Thema der „Patientenverfügung“ immer wieder hohe Relevanz. Diese Erklärung eines Patienten stellt die vorweggenommene Willensbekundung dar, welche Behandlungsmaßnahmen noch erfolgen dürfen und welche nicht, wenn der Patient nicht mehr in der Lage sein sollte, seinen Willen selbst zu bekunden. Um Konflikte zwischen der ärztlichen Hilfspflicht und dem Patientenwillen zu vermeiden, ist es wichtig, diese Erklärung sowohl hinsichtlich des vom Patienten vorgestellten Behandlungsszenarios, als auch hinsichtlich der zu untersagenden Maßnahmen von vornherein hinreichend deutlich und bestimmt zu formulieren.
Die Behandlungsfehler und Organisationsfehler
Aber auch bei der Durchführung der Behandlung kann es zu Behandlungsfehlern kommen. Sei es, dass der Behandler wichtige Untersuchungen und Befunde nicht veranlasst (Befunderhebungsfehler), das Krankheitsbild falsch deutet (Diagnosefehler) oder eine zur Behandlung der Erkrankung nicht angezeigte Behandlungsmaßnahme ergreift, bzw. die Behandlungsmaßnahme falsch ausführt (Therapiefehler). Ebenso ist es ein Behandlungsfehler, wenn der Behandler nach Durchführung der Behandlungsmaßnahme dem Patienten nicht die notwendigen Informationen für das weitere Verhalten gibt, welches zur Sicherung des Therapieerfolges erforderlich ist.
Es gibt auch Fehler organisatorischer Art, die nicht primär auf die fehlerhafte Anwendung medizinischen Könnens abstellen, sondern auf begleitende Maßnahmen der Vorbereitung und Sicherung. Es handelt sich hierbei um Fehler im Bereich des „voll beherrschbaren Risikos“, also einem Bereich, in dem durch ordnungsgemäße Kontrolle und pflichtgemäße Organisation Schäden vollständig vermeidbar sind. In diesem Bereich finden sich häufig Auseinandersetzungen nach Stürzen, intraoperativen Lagerungsschäden, Gerätedefekten oder aber auch zur Gewährleistung hygienischer Standards im Zusammenhang mit Keiminfektionen.
Die Folge der vorgenannten Fehler können für den Patienten weitreichende und schwere Gesundheitsschäden sein. Diese können sowohl im Hervorrufen eines Gesundheitsschadens, aber auch in der Verschlimmerung einer bereits bestehenden Erkrankung liegen.
Die Beweislast für das Vorliegen eines Behandlungsfehlers und dessen Ursächlichkeit für den eingetretenen Schaden liegt grundsätzlich beim Patienten. Wegen des Wissensgefälles zwischen dem Behandler und dem Patienten gibt es jedoch zahlreiche Verfahrenserleichterungen für den Patienten. Unter anderem dürfen nur maßvolle Anforderungen an dessen Vortrag zum Behandlungsfehler gestellt werden und wenn ein ein grober Behandlungsfehler vorliegt, kann sogar eine Beweislastumkehr zu Lasten des Behandlers eintreten. Dabei ist ein grober Behandlungsfehler, nach den vom Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 10.05.1983, Az.: VI ZR 270/81 aufgestellten Grundsätzen, ein Verhalten, das aus objektiver ärztlicher Sicht bei Anlegung des für einen Arzt geltenden Ausbildungs- und Wissensmaßstabes nicht mehr verständlich und verantwortbar erscheint, weil ein solcher Fehler dem behandelnden Arzt aus dieser Sicht schlechterdings nicht unterlaufen darf.
Schmerzensgeld und anderer Schadensersatz
Wenn dem Patienten durch eine fehlerhafte Behandlung ein Schaden entsteht, wird es regelmäßig zu Auseinandersetzungen um Schadensersatzansprüche kommen. Ersatzfähig ist hierbei einerseits der immaterielle Schaden des Patienten durch ein Schmerzensgeld. Der Bundesgerichtshof hat hierzu in seinem Beschluss vom 06.07.1955, Az.: GSZ 1/55 ausgeführt, dass das Schmerzensgeld einerseits die erlittenen Beeinträchtigungen des Patienten ausgleichen soll und andererseits eine Genugtuung für das erlittene Unrecht darstellt. Das Schmerzensgeld korreliert in seiner Höhe deswegen maßgeblich mit der Schwere und Länge der Leiden und Beeinträchtigungen des Patienten. Zugleich fließen in die Überlegungen zu seiner Höhe aber auch die Schwere des Fehlervorwurfes, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Beteiligten und andere Begleitfaktoren ein.
Es zeichnen sich jedoch auch zunehmend Tendenzen ab, das Schmerzensgeld durch eine Anknüpfung an das Bruttonationaleinkommen und den Grad der Schädigungsfolgen objektiver und vergleichbarer zu bestimmen. (hierzu: OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 18.10.2018, 22 U 97/16). Außerdem sind auch die materiellen Schäden des geschädigten Patienten zu ersetzen. Diese können beispielsweise durch einen Erwerbsausfall oder den Ausfall von Unterhaltsverpflichteten begründet sein. Nicht zuletzt hat der geschädigte Patient oft auch zusätzliche finanzielle Aufwendungen, um beispielsweise seine Genesung zu finanzieren (Nachbehandlungskosten, Medikamentenzuzahlungen, etc.), oder er benötigt Unterstützung bei der Bewältigung seines Alltags (Haushaltshilfen, ggf. häusliche Ausstattung zum Ausgleich von Nachteilen – Treppenlift, etc.). Auch für solche Mehraufwendungen ist ein Schädiger zum Ausgleich verpflichtet.
Soweit eine künftige Weiterentwicklung des Schadens droht, die heute noch nicht beziffert werden kann, werden solche Ansprüche regelmäßig durch Feststellungsklagen auf künftige Haftung gesichert.
Keine Angst vor Verjährung
Im Bereich der zivilrechtlichen Arzthaftung sind schließlich auch Fragen der Verjährung immer wieder zu thematisieren. Die vertragliche und deliktische Regelverjährung beträgt gem. § 195 des Bürgerlichen Gesetzbuches drei Jahre. Dennoch kommt es in der Praxis immer wieder vor, dass auch ältere Ansprüche, die bereits weitaus länger als drei Jahre zurückliegen, durchgesetzt werden können.
Hintergrund hierfür ist die Bestimmung des § 199 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches, nach dem die Verjährung erst am Schluss desjenigen Jahres zu laufen beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und in dem der Gläubiger Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen und der Person des Schädigers erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Die Kenntnisabhängigkeit der Verjährung führt dazu, dass ein Ablauf der Verjährung erst dann in Betracht kommt, wenn der Patient hinreichende Anhaltspunkte dafür hat, dass er fehlerhaft behandelt wurde. Der bloße Nichterfolg einer Behandlung ist für diese Kenntnis nicht ausreichend, da der Nichterfolg nicht zwingend auch heißt, dass der Behandler fehlerhaft gehandelt hat. Häufig wird die Kenntnis eines Behandlungsfehlers erst durch hinzutretende, medizinische Drittmeinungen (z.B. durch andere Ärzte) eintreten, durch welche der Patient darauf aufmerksam gemacht wird, dass die Behandlung nicht fachgerecht ausgeführt worden sein könnte.
Die kenntnisunabhängige Verjährungshöchstfrist von 30 Jahren (§ 199 Abs. 2 BGB) spielt in der Praxis dagegen nur selten eine Rolle.
Diese langjährig für die ärztliche und zahnärztliche Behandlung herausgearbeiteten Haftungsgrundsätze finden zudem auch sinngemäße Anwendung in anderen Bereichen der Gesundheitsfürsorge. Neben Heilpraktikern ist hier insbesondere auf die Haftung für Pflegefehler hinzuweisen. Auch Pflegeeinrichtungen haben einen nach pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen herausgebildeten Pflegestandard einzuhalten. Wird hiergegen verstoßen, kommen die Grundsätze der Behandlungsfehlerhaftung, z.B. im Rahmen eines „groben Pflegefehlers“ entsprechend zur Anwendung, wie u.a. das Oberlandesgericht Hamm in seinem Urteil vom 09.09.2015, Az. 3 U 60/14 erkannte.